Schleswig-Holstein

(Keine) Experimente auf der Malenter Runde 2024!

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Die traditionelle Herbsttagung des bdla Landesverbands Schleswig-Holstein fand vom Freitag, den 25. Oktober bis Samstag 26. Oktober im Uwe Seeler Fußballpark in Malente statt.

Zum Thema Experimente standen unser Planungsverständnis und die aktuellen Vorgaben zur Planungsbeschleunigung, die Planungsumsetzung und die Möglichkeiten von Beteiligung zentral auf dem Programm.

Der neue Landesvorsitzende des bdla, Bernward Benedikt Jansen, führte als versierter Moderator durch die beiden Tage.

Gleich zum Start nahm Angelika Jacob das Experiment wörtlich, führte uns per Videobotschaft in die Materie ein und Bernward Benedikt Jansen regte anhand von drei Schlüsselfragen zu Gedanken und Diskussionen über unser eigenes Planungsverständnis an. Vor- und Nachteile von Experimenten und beschleunigten Planungsprozessen wurden erörtert: die Dynamik von Planungsprozessen über anfängliche Euphorie, die eintretende Ernüchterung und, wenn es gut läuft, die befriedigende Euphorie aller Beteiligter bei einem guten Planungsergebnis.

 

Als Kontrast berichtete Annett Pahl, als ehemalige ehrenamtliche Bürgermeisterin einer ländlichen mecklenburgischen Kommune und Landschaftsarchitektin, von konkretem politischen Handeln auf kommunaler und regionaler Ebene. Sie zeigte sehr anschaulich, dass durch persönliches Engagement, durch Transparenz und Sichtbarkeit von Planung viel bewegt werden kann. Bürger und Bürgerinnen fühlen sich mitgenommen und tragen die Planungen mit.

Annett Pahl

Der Nachmittag des ersten Tages gehörte den Auswirkungen der aktuellen Planungsbeschleunigungsvorgaben auf die Planungsprozesse und -inhalte beim Ausbau der Infrastruktur.

Uwe Herrmann und seine Kollegin Steffi Werhahn von BHF Landschaftsarchitekten trugen die verschiedenen Gesetzesvorgaben der letzten Jahre vor und konkretisierten die Auswirkungen von der EU-Notfallverordnung bis zu RED III an Planungsbeispielen. Ihr Fazit lautete, dass die Beschleunigung nicht auf Kosten des Naturschutzes gehen muss. Es besteht mehr Offenheit für ein pragmatisches Vorgehen und das Vermeiden wenig problemorientierter Untersuchungen und Gutachten. Allerdings benötigen auch die neu zu entwickelnden Methoden Zeit, um die beschleunigende Wirkung entfalten zu können. Effizienz und neue Routinen müssen eingeübt werden.

Steffi Werhahn

Darauf reagierte Dietmar Ulbrich als Landesvorsitzender des BUND-Schleswig-Holstein und selbst Landschaftsarchitekt mit seinem Vortrag. Er kritisierte den Aktionismus in Sachen Klimaanpassung und mahnte an, die Ursachen des Klimawandels nicht aus den Augen zu verlieren und auch den besorgniserregenden Verlust an Biodiversität nicht hintenanzustellen. Biologischer Klimaschutz müsse mit technischem Klimaschutz zusammengedacht werden. Aus Sicht der Umweltverbände geht die Planungsbeschleunigung auf Kosten von Beteiligungsrechten und fundierten Umweltprüfungen. Auch Rechtswege und damit Klagemöglichkeiten scheinen vermindert.

Dietmar Ulbrich

Eine ganz andere Perspektive und Herangehensweise an ein Projekt zeigte Christoph Gondesen anhand des dänischen Großprojektes „Feste Fehmarnbelt-Querung“ auf. Kürzere Entscheidungswege auf behördlicher und politischer Seite sowie das sehr frühzeitige bürgernahe Vermitteln sorgen bei unseren dänischen Nachbarn für effiziente Prozesse. Grundsätzlich besteht ein großes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Kompetenz der Verantwortlichen. Sie fühlen sich ausführlich informiert und beteiligen sich konstruktiv an der Umsetzung.

Christoph Gondesen

Am Abend sorgte der bdla-Fitnesstrainer Axel Fichtner für sportliche Experimente, bevor der Abend mit Wein, Käse und angeregten Diskussionen endete.

Der Samstagvormittag gehörte dem Thema Beteiligung. Zwei erfahrene Beteiligungsspezialistinnen waren aus Berlin angereist: Dr. Sarah Ginski-Thiele von Zebralog und Marie Bartels von 50Hertz. Frau Ginski-Thiele fächerte in ihrem Beitrag die Kunst der Beteiligung auf. Die genaue Betrachtung warum, mit welchem Ziel und auf welcher Planungsebene beteiligt wird, entscheidet auch über Methoden und Durchführung. Das Konsent-Prinzip ist bei schwierigen Planungsentscheidungen, in denen keine Übereinstimmung gefunden werden kann, die bessere Grundlage. Beschlüsse oder Planungsempfehlungen werden gegeben, wenn kein schwerwiegender begründeter Einwand vorliegt.

Frau Bartels zeigte auf, wie der für die C02-Neutralität umfangreich notwendige Netzausbau, trotz beschränkter Zeit und Mitbestimmungsmöglichkeiten, so geführt werden kann, dass Anwohner und andere Betroffenheiten in den Prozess einbezogen werden. So können in die laufenden Planungen eingriffsvermeidende Maßnahmen einbezogen werden.

Dr. Sarah Ginski-Thiele und Marie Bartels

Wo hindern uns Regelwerke oder bremsen Qualität aus? Dieser Frage stellte sich Peter Schraml vom „Maßstab Mensch – barrierefrei & sicher leben“ aus München. Seine praxisbezogene Sichtweise zeigte humorvoll falsch verstandene Normierung und Alternativen auf, um Spielanlagen sicher und trotzdem die Kinder und Jugendlichen zum Experiment anregend zu gestalten.

Zum Abschluss übernahm es Marcel Wiegard von Greenbox Landschaftsarchitekten aus Köln, die ganze Runde wiederum zu direktem Experimentieren anzuregen. Die Möglichkeiten mit ChatGPT oder Microsoft Co-Pilot konnten gemeinsam getestet und Anwendungsmöglichkeiten erprobt werden. Marcel Wiegard ermunterte dazu, die Programme zu testen und zeigte, dass die Software als Sparringspartner auch hilft, eigene entwurfliche Gedanken anzuregen oder zu überprüfen.

Marcel Wiegard

Für die rund 30 Teilnehmer:innen fasste Bernward Benedikt Jansen es so zusammen: ein rundes Programm und Themenpaket entlässt uns in den Planungsalltag. Praxisbezogene Anregungen zum Umgang mit Beschleunigung und Beteiligungsprozessen in der Planung und der Blick über den Tellerrand können mitgenommen werden. Dass diesmal erfreulich viel Zeit für Fragen und Diskussionen freigehalten war, wurde sehr gut aufgenommen.

Im Jahr 2025 feiert der bdla S-H die Jubiläumstagung zum 40-jährigen Bestehen der Malenter Runde, zu der wir jetzt schon alle ganz herzlich einladen:

Termin ist der 14. + 15. November 2025 in Bad Malente.

Die Referent:innen haben dankenswerterweise ihre Skripte zur Verfügung gestellt:

Text: Maria Julius, Lübeck, November 2024

Fotos: Bernd Groth, Ingrid Max

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