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Die soziale Frage der Freiraumversorgung

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Von Till Rehwaldt

Mit dem aktuell deutlichen Wachstum vieler Großstädte hat sich ein Trend in die Breite entwickelt, der lange nur aus den großen Metropolen wie Hamburg oder München bekannt war.

Über viele Jahre war eher die Stadtflucht die Regel, auch weil im Umland Freiraum in ausreichendem Maße zur Verfügung stand. So sorgten lange Zeit hindurch die Abwanderer selbst für eine Angleichung der Lebensumstände, traten gewissermaßen individuell für Umweltgerechtigkeit ein.

Mit zunehmender baulicher Verdichtung stehen nun immer mehr Kommunen vor der Herausforderung, den öffentlichen Raum als ein wertvolles Element Grüner Infrastruktur zu bewahren, aber auch mit Blick auf eine intensivere Nutzung weiterzuentwickeln. Angesichts der Diskussionen um die Integration von Flüchtlingen hat auch die Politik das Thema entdeckt. Die soziale Frage der Freiraumversorgung, also ein wesentlicher Aspekt der Umweltgerechtigkeit, steht aktuell im Fokus, s. Weißbuch Stadtgrün der Bundesregierung.

Schnell wird deutlich, in welchem Dilemma wir uns befinden: So ist der allseits hörbare Ruf nach „bezahlbarem Wohnraum“ zwar politisch und sozial opportun, jedoch aus der Perspektive der Freiraumentwicklung nicht immer besonders hilfreich. Bei der Suche nach schnell und günstig verfügbaren Bauplätzen geraten vorzugsweise Bestandsflächen in den Fokus. Immer häufiger werden neue Gebäude in Wohnquartiere mit einer hohen, über Jahrzehnte entwickelten Freiraumqualität platziert, wovon insbesondere langjährige Bewohner betroffen sind.

Strategie der doppelten Innenentwicklung ist so wichtig wie nie zuvor.

Um also eine umweltgerechte Stadtentwicklung zu betreiben, muss hier ein Ausgleich gefunden werden, die Strategie der doppelten Innenentwicklung ist so wichtig wie nie zuvor. Diese steht vor allem für die qualitative Entwicklung von Freiraum. Wenn schon ein negativer Flächensaldo nicht zu vermeiden ist, ist zumindest ein wohnungsnaher Ersatz für die verlorenen Funktionen, für den Eingriff in die unmittelbare Lebensqualität zu schaffen. Es ist also an der Zeit, über eine „soziale Eingriffsregelung“ nachzudenken. Mit der gleichen Sorgfalt und Fürsorge, die wir den Habitaten von Fledermäusen und Eidechsen angedeihen lassen, sollten wir uns um die menschlichen Bewohner kümmern.

Hilfreich kann dabei eine Betrachtung der Freiraumversorgung sein, die im Sinne einer generellen Zielformulierung zunächst den quantitativen Aspekt beleuchtet. Viele Kommunen legen inzwischen wieder ein größeres Augenmerk auf eine möglichst ausgewogene Verteilung und Erreichbarkeit von Grünräumen und stellen dies als einen Aspekt der Lebensqualität in den öffentlichen Fokus. So wirbt die Stadt Essen damit, dass fast alle Bewohner eine öffentliche Grünfläche in maximal 300 Metern Entfernung von ihrer Wohnung erreichen können.

Wenn jedoch kein ausreichender Freiraum im direkten Wohnumfeld zur Verfügung steht, rückt neben der funktionalen Intensivierung einzelner Anlagen vor allem die stärkere Vernetzung in den Fokus. In diesem Zusammenhang ist es unabdinglich, die Freiraumversorgung als einen Aspekt Grüner Infrastruktur präziser zu definieren. Ein urbanes System von Grünräumen, vor allem eine schnelle Erreichbarkeit auch mit dem Fahrrad, erschließt neue Potentiale. Auf diesen Zusammenhang hat die diesjährige Ausstellung „Fahr Rad“ im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt eindrucksvoll hingewiesen.

So ist letztlich die Strategie der Umweltgerechtigkeit nicht nur eine Methode, um individuelle Lebensumstände zu verbessern und soziale Ungleichheiten zu beseitigen. Es zeigen sich auch gesamtgesellschaftliche Effekte, indem die Mobilität umweltfreundlich entwickelt wird oder auch Grünanlagen ökonomischer unterhalten werden können.


Beitrag von bdla-Präsident Till Rehwaldt, erschienen als Editorial der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekten" 4/2018.

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