Konferenz „metropolitan open space“ – LandschaftsarchitektInnen und PlanerInnen aus neun Nationen lieferten Impulse für die grüne Stadt von Morgen
Wie viel Grün benötigen wir wozu und für wen, wenn 2050 mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung in Städten lebt? Welche Strategien, Allianzen und Ressourcen erfordern Freiräume, die im immer dichteren urbanen Gefüge neben ökologischen zunehmend soziale und gesellschaftliche Funktionen übernehmen? Diese Fragen beschäftigten die rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz „metropolitan open space“. Veranstaltet wurde die internationale Fachtagung von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, der IGA Berlin 2017 GmbH in Kooperation mit dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) vom 18. bis 21. Mai 2017 im Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum (ZKR) Schloss Biesdorf und auf dem Gelände der Internationalen Gartenausstellung (IGA) in Marzahn-Hellersdorf.
Gesundheitliche Relevanz unserer Städte
Festredner des Vorabendempfangs am 18. Mai im Schloss Biesdorf war Prof. Dr. Mazda Adli, Stressforscher an der Charité Berlin, der mit seinen Forschungsergebnissen aus der „Neurourbanistik“ zur Auswirkung urbaner Lebensräume auf die psychische Gesundheit für Gesprächsstoff sorgte. Sein Fazit: Städte können sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken – der Schlüssel für eine wirksame Gesundheitsstrategie in Metropolen liegt u.a. im öffentlichen Raum. „Wir brauchen vor allem Räume, die soziale Isolation verhindern und Teilhabe ermöglichen.“
Dass dem öffentlichen Freiraum neben der ökologischen vor allem eine soziale Funktion in der zunehmend individualisierten und fragmentierten Stadtgesellschaft zukommt und dass wir ihn angesichts des Entwicklungsdrucks in den Metropolen schützen und weiterentwickeln müssen, wurde in den Beiträgen der Konferenz am 19. Mai deutlich. In seiner Eröffnungsrede fragte Stefan Tidow, Staatssekretär für Umwelt und Klimaschutz: „Wie gelingt es uns, Stadtgrün so zu gestalten, dass sich die Menschen die Räume aneignen und sie zu Orten der Gemeinschaftsbildung werden? Welche Gestaltungs- und Verhandlungsstrategien sind hierfür erforderlich?"
bdla-Präsident Till Rehwaldt verwies darauf, dass der „urban advantage“, der urbane Standortvorteil, der Städte zu Orten der Verheißung auf ein besseres Leben macht, zunehmend mit dem „green advantage“ verknüpft sein wird. Erfolgreiche Stadtentwicklung setzt auf qualifizierte Grünräume. Christoph Schmidt, Geschäftsführer der IGA Berlin 2017 GmbH, machte deutlich, dass zukunftsfähiges Grün nur durch interdisziplinäre und integrative Planungsverfahren entsteht. „Wir brauchen intelligente Planungskonzepte, die angesichts begrenzter finanzieller wie räumlicher Ressourcen eine Mehrfachnutzung auch von Teilräumen ermöglichen.“
Grün rechnet sich!
Dass es auch interdisziplinärer Argumentationslinien jenseits der eigenen Fachzirkel bedarf – darauf verwies Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. Michael Schwarze-Rodrian von der Metropolregion Ruhr betonte den mikro- und makroökonomischen Wert: „Grüne Infrastruktur rechnet sich.“ Gemeinsam mit Jakob Kastner, der mit der Seestadt Aspern eines der nachhaltigsten privatwirtschaftlichen Neubaugebiete in Wien plant, und Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, der mit der Hafencity Hamburg eines der größten innerstädtischen Stadtentwicklungsprojekte Europas mitverantwortet, erörterte er intelligente Strategien der Freiraumentwicklung im Neubau. Dabei liegt auch in der Pflege und Aktivierung des Bestands eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben für die grüne Profession, so ein Fazit der Runde.
Strategien der Aneignung und Verhandlung
Aneignungs- und Verhandlungsstrategien zur Gestaltung öffentlicher Räume wurden auf der Tagung zahlreich besprochen. Die IGA Berlin selbst, durch die nach der Gartenausstellung ein neuer Park für Marzahn-Hellersdorf entsteht, war dabei nur ein – wenn auch vielzitiertes – Exempel.
Christophe Teboul von der Pariser Stadtverwaltung verwies in seinem Keynote-Vortrag auf Instrumente wie die „Partizipationsbudgets“, bei denen Bürgerinnen und Bürger über die Umsetzung bestimmter Maßnahmen im öffentlichen Raum mitentscheiden. In den Workshops „Teilhabe und Mitbestimmung“ wie auch „Metropolitane Projekte“ wurden Best-Practice-Beispiele für die Aktivierung von bürgerschaftlichem Engagement ebenso diskutiert, wie die Voraussetzungen und Hindernisse. Der Workshop „Strategien für das urbane Grün“ nahm das sogenannte Weißbuch „Grün in der Stadt“ des Bundesumweltministeriums in den Fokus, um dessen Relevanz für die planerische Praxis zu diskutieren.
Die Vorträge von renommierten LandschaftsgestalterInnen aus Brasilien, dem Libanon, aus China, Thailand, Südafrika und Australien, die am 20. Mai ihre internationalen IGA-Gartenkabinette vorstellten, vergegenwärtigten schließlich, dass neben den international stark divergierenden Rahmenbedingungen für die Gestaltung öffentlicher Freiräume, am Ende auch Emotionalität gefragt ist. „Wir müssen emotionale Landschaften gestalten, damit Menschen sich dafür verantwortlich fühlen und sich nachhaltig um sie kümmern“, brachte es Kate Cullity vom australischen Büro T.L.C. auf den Punkt.
Prof. Dr. Horst Bredekamp, Gründungsintendant des Humboldt-Forums, zeigte mit seinem Exkurs zur „Formgeschichte rebellischer Gärten“, dass auch in der Deutung tradierter Gartenkunst ein Aneignungsprozess durch neue Akteursgruppen stattfindet.
Eine Charta für das Stadtgrün
Die Schlussworte von Ursula Renker von der Berliner Senatsverwaltung, IGA-Chef Christoph Schmidt und bdla-Präsident Till Rehwaldt verdeutlichten noch einmal die Komplexität der Aufgabe aber auch das Potenzial, das sich mit der Freiraumplanung für „Städte im Anthropozän“ verbindet. Ursula Renker verwies darauf, dass Berlin vor der großen Aufgabe steht, eine Charta für das Stadtgrün zu entwickeln – eingebettet in eine umfangreiche öffentliche Debatte. Till Rehwaldt resümierte: „Wir befinden uns an einem neuralgischen Punkt und sind gefordert, die Stadt wieder für den Menschen zu qualifizieren.“
Walk and Talk
Am Samstag, 20. Mai, erläuterten die internationalen LandschaftsarchitektInnen der IGA Berlin 2017 ihre konzeptionellen Gärten und setzten den Diskurs der Konferenz in den Gartenkabinetten fort. Sie wurden dabei von dem Büro k1 – Landschaftsarchitekten unterstützt, die als Berliner Kontaktbüro die internationalen Gartenkabinette auf der IGA Berlin umgesetzt und gebaut haben.
In thematischen Führungen am Nachmittag ging es um verschiedene Aspekte der IGA Berlin. Dazu gehörten: Von der Vision zur Internationalen Gartenausstellung durch die PlanerInnen der IGA, geskes hack Landschaftsarchitekten, Kunst auf der IGA durch die Kunsthistorikerin und Direktorin des ZK R, Katja Aßmann, und Nachhaltige Zertifizierung der IGA Berlin durch Markus Gnüchtel, GTL Landschaftsarchitekten, bdla.
Am Sonntagvormittag, 21. Mai, luden Mitglieder des bdla Berlin-Brandenburg in zeitgenössische Freiraumprojekte der Hauptstadt ein.
Bund Deutscher Landschaftsarchitekten bdla
Köpenicker Straße 48/49, 10179 Berlin
Tel. 030 27 87 15-0, Fax 030 27 87 15-55
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.bdla.de
- Latitude: 0
- Longitude: 0