Nachwuchspreis Bayern 2020
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Ausgezeichnete Bachelor- und Masterarbeiten 2020
© Xiaozhen Li
BREAKING THE ISLAND.
Anwendung des Strukturalismus am Beispiel des ehemaligen Erdölhafens in Karlskrona, Schweden
Verfasserin: Xiaozhen Li
Masterthesis am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und industrielle Landschaft - Technische Universität München
Betreuer: Prof. Dr. Udo Weilacher, Zweitprüfer: Dipl.-Ing. Jonas Bellingrodt
Abstract
BREAKING THE ISLAND befasst sich mit der Umgestaltung eines stillgelegten Erdölhafens im schwedischen Karlskrona. Verteilt auf über 30 Inseln in der Ostsee, begann die Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem großmaßstäblichen Landgewinn. Für die Errichtung des Ölhafens wurde damals die Meeresbucht zwischen dem Festland und der Hauptinsel aufgefüllt. Heute ist das Projektgebiet nach dem industriellen Abschwung gesichtsloses Ödland und schwächt als Haupteingang zum Stadtzentrum die Identität Karlskronas als Stadt am Meer. Das schwächt die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich. Zudem stellt das gewonnene Land durch die starke Kontamination eine Bedrohung terrestrischer und mariner Ökosysteme dar.
Auf der Grundlage der Strukturalismus-Theorie analysiert BREAKING THE ISLAND die Landschaft um Karlskrona in drei Informationsebenen: die Bodenmorphologie, der Siedlungsraum und die hydrologische Schicht des Meeres. Die industrielle Ebene als vierte Schicht unterbricht die ursprünglichen Beziehungen und schwächt so die Identität der Stadt. Im Entwurf wird das Gebiet daher in drei Teile zerlegt, indem ursprüngliche Wasserpassagen wiederhergestellt werden, ohne aber die industrielle Vergangenheit zu negieren. Jeder Teil erhält dadurch seine charakteristischen Qualitäten zurück, und stellt die ursprünglichen strukturellen Beziehungen wieder her. Diese Strategie trägt auch dazu bei, einen klaren räumlichen Zugang zur Stadt zu schaffen und die Qualität des Gebietes als Stadtentrée hervorzuheben. Der Entwurf stärkt zudem die ökologische Resilienz des Geländes, indem Raum für neue marine Feuchtgebiete entlang der Küstenlinie entstehen können. Das verbleibende Industriegelände wird zum Creative Cultural Park für IT-Unternehmen, der die Transformation der Stadt von einer Industriestadt in eine Wissensstadt vorantreibt.
Begründung der Preiswürdigkeit
Xiaozhen Li gelingt es auf vorbildliche Weise, sich mit aktuellen Problemen, wie dem steigenden Meeresspiegel in Zeiten des Klimawandels, und deren Auswirkungen auf Hafenstädte wie Karlskrona kritisch auseinanderzusetzen. Zudem befasst sich die Studentin in ihrem umfassenden, wissenschaftlich fundierten Erläuterungsbericht auch mit Problemen, wie dem Strukturwandel von Industriestädten. Auf Grundlage einer gründlichen und umfangreichen Analyse, legt sie strukturalistische Informationsebenen auf lokaler, städtischer und geomorphologischer Ebene frei und entwickelt daraus eine mustergültige und nachhaltige Lösung für vergleichbare Hafenstädte.
Der Entwurf wird in hervorragend ausgearbeiteten Plänen und Modellen präsentiert und überzeugt durch seinen sensiblen Umgang mit strukturgebenden Landschaftselementen, deren Ergänzung und Weiterentwicklung. Die Studentin entwickelt ein schlüssiges Grundkonzept zur nachhaltigen Aufwertung mariner Ökosysteme im Kontext einer dicht besiedelten Hafenstadt. BREAKING THE ISLAND ist damit ein vielversprechender Ansatz ortsspezifischer und identitätsstiftender Stadtentwicklung in Zeiten des Klimawandels und bietet richtungsweisende Impulse im Umgang mit Relikten der Petrochemie im sensiblen Kontext aquatischer Systeme.
Xiaozhen Li beweist mit ihrer hervorragenden Master-Abschlussarbeit ihre Befähigung zu professioneller Entwurfsarbeit im Rahmen komplexer Problemstellungen in der Landschaftsarchitektur – nicht nur national, sondern auch international.
© Sarah Jankowski
SARAJEVO – DIE STADT ALS CAMPUS
Universitätsstandorte als Impulse einer nachhaltigen Stadtentwicklung
Verfasserin: Sarah Maria Jankowski
Masterthesis IMLA (International Master of Landscape Architecture) - Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Betreuer: Prof. Ingrid Schegk, Prof. Christoph Jensen
Abstract
Die Masterarbeit 'Sarajevo - Die Stadt als Campus' befasst sich mit der Universität Sarajevo und deren Einbindung in die bosnische Hauptstadt. Der Hauptcampus der Universität liegt im Stadtzentrum von Sarajevo im Bezirk Marijin Dvor und ist Relikt einer ehemaligen Militäranlage der österreichisch-ungarischen Monarchie aus dem Jahr 1897. Dieser Hauptstandort der Universität ist geprägt von Baracken, die zum großen Teil im Bosnienkrieg (1992 - 1995) zerstört wurden und sich immer noch in diesem Zustand befinden. Diese desolaten Bereiche des Campus sind aktuell nicht für universitäre Zwecke nutzbar. Eine baldige Umgestaltung oder Neuordnung des Campus wird angestrebt, ist jedoch noch nicht konkret in Aussicht. Hier wird Platz für weitere Fakultäten benötigt, die derzeit mit ihren Standorten über die Stadt Sarajevo verstreut sind. Ein Bezug dieser Fakultäten zur Universität Sarajevo ist bislang nicht auszumachen, es fehlt an offensichtlichen Verbindungen bzw. an einem Netzwerk zwischen Fakultäten und Universität. Hinzu kommt, dass es keine synergetische Beziehung zwischen der Universität und der Stadt Sarajevo gibt, obwohl der Wunsch besteht, als international angesehener Studienort wahrgenommen zu werden.
Das Ziel der Masterthesis war es deshalb, für diese Situation Lösungsvorschläge zu entwickeln. Aus dem Campus im Kern und den bedeutendsten Nebenzentren der Universität sollte ein Umfeld für erfolgreiches Lernen innerhalb der Stadt Sarajevo geschaffen werden. Dabei wurde auch auf die Rolle, welche die Universität für die Stadt Sarajevo einnehmen könnte, und auf die Bedeutung des Einflusses der Stadt auf dieses Bildungszentrum eingegangen. Die Entwicklung des Konzepts erfolgte auf Basis einer vertieften Recherche und Analyse des Kontexts. Auf dieser Grundlage wurden die nachfolgenden Planungs- und Gestaltungsideen entwickelt.
Begründung der Preiswürdigkeit
Der Arbeit, die einen Beitrag zur vielfach noch so unterschätzten Entwurfsforschung ('Research by Design') leistet, gelingt es, die Potenziale studentischen Lebens auf eine nachhaltige Stadtentwicklung aufzuzeigen. Durch eine geschickte Identifizierung, Vernetzung und Aufwertung der Freiräume entsteht eine völlig neue Perspektive einer attraktiven Stadt am Fluss, die zu Fuß und mit dem Fahrrad erfahren werden kann und die Qualitäten dieser sehr besonderen Hauptstadt ins rechte Licht rückt. Auf der Basis einer überaus gründlichen Analyse vor Ort, die sowohl städtebauliche Potenziale als auch Sozialräume und die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt, schafft die Verfasserin grüne Infrastrukturen, die ohne massive Eingriffe in die Stadtstruktur in ihrer Angemessenheit überzeugen.
Das Gesamt-Konzept, die "Stadt als Campus", wird mit einer gewissen Lässigkeit erreicht, die auch darstellerisch überzeugt. In den Detaillierungen dreier charakteristischer Beispielsituationen wird eine angemessene Designsprache gewählt. Die Aufwertungen, vor allem auch funktionaler Art, werden ganz überwiegend mit vergleichsweise einfachen Mitteln erreicht. Die Arbeit, die ganz bewusst auf spektakuläre Interventionen verzichtet, wird damit der Stadt Sarajevo und dem Alltag Studierender wie auch aller Bewohner in hohem Maße gerecht.
© Raphaela Roming
CLIMATE RESPONSIVE DESIGN - Klimagerechte Landschaftsarchitektur.
Entwicklung von Planungsstrategien zur klimaoptimierten Gestaltung von Freiräumen
Verfasserin: Raphaela Roming
Masterthesis IMLA (International Master of Landscape Architecture) - Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Betreuerin: Prof. Ingrid Schegk, Erstprüferin (HSWT), Zweitprüfer: Prof. Dr. Hendrik Laue (TH Ostwestfalen-Lippe)
Abstract
Klimagerechte, -angepasste, -resiliente, oder -optimierte Landschaftsarchitektur, verschiedene Begriffe, die ein bedeutendes Ziel der zukünftigen Landschaftsarchitektur als raumgestaltende Disziplin beschreiben: Die angemessene Reaktion auf den Klimawandel und seine Folgen. In dieser Arbeit wird aufgezeigt, welche Entwicklungen und Veränderungen in unseren Städten für die darin lebende Gesellschaft zu erwarten sind und welche Potenziale die Landschaftsarchitektur bietet, Städte nachhaltig zu optimieren.
Strukturen, Konzepte und Entwicklungen in der lokalklimatisch besonderen Situation der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart werden analysiert und eine speziell entwickelte Bewertungsmethode für das örtliche Klima und die lokalen Klimawirkungen wird vorgestellt. Prinzipien zur klimagerechten Planung von Freiräumen im Allgemeinen werden in einfach anwendbare "Bausteine klimagerechter Landschaftsarchitektur" übersetzt, dargestellt, erklärt und auf den Rathausplatz Stuttgart als "Kleinklimatop Platz" testweise angewandt. Auf der Grundlage einer detaillierten Analyse der wichtigsten Einflussfaktoren und Herausforderungen am Ort wird ein umfassendes Entwicklungskonzept für den Platz entwickelt, getragen von der Leitidee der „grünen Markthalle“. Der zentrale Marktplatz in der Stuttgarter Innenstadt wird dadurch zum Aushängeschild einer klimabewussten Stadt und schafft einen klimaoptimierten, multifunktionalen Freiraum, der auch künftigen Entwicklungen der Stadt standhält und einen großen Mehrwert für den Ort und seine Nutzer schafft.
© Raphaela Roming
Begründung der Preiswürdigkeit
Die Arbeit spannt den Bogen von der wissenschaftlichen Ausarbeitung zum praktischen Entwurfsprojekt in nahezu beispielhafter Weise. Auf der Basis umfassender Quellenforschung und Theorie-Aufarbeitung zum aktuellen Thema Klimawandel und seinen Auswirkungen in der Stadt gelingt der Autorin die Strukturierung und Übersetzung der komplexen Forschungsergebnisse in anschauliche Klima-Bausteine, die sie schließlich durch praktische Anwendung in Planung und Entwurf erprobt. Es wird deutlich, dass die Berücksichtigung schlüssiger Prinzipien die Qualität des innerstädtischen Kleinklimas in vielen Fällen verbessern und damit auch Beiträge zur klimatischen Gesamtsituation leisten kann. Dabei wird aber auch die Komplexität von Klimawirkungen deutlich.
Besonders überzeugend erscheinen die hohe Systematik und die grafische Aufbereitung der Arbeit. Die Ergebnisse lassen sich sehr gut auf andere Projekte übertragen und stellen damit sowohl eine fachlich solide Arbeits- und Argumentationshilfe wie auch eine kreative Inspirationsquelle für klimagerechtes Entwerfen dar.
© Lena Bonengel
Baubotanik Residential Building – A Lifetime Project
Verfasserin: Lena Bonengel
Masterthesis am Lehrstuhl Green Technologies in Landscape Architecture an der Technischen Universität München
Betreuer: Prof. Dr. Ferdinand Ludwig
Abstract
Baubotanische Projekte sind – wie jede Baumpflanzung in der Landschaftsarchitektur – Vorhaben, die nach großer Weitsicht verlangen. Denn es braucht oft mehr als eine Generation, bis sich ein Baum oder ein baubotanisches Bauwerk zu seiner vollen Größe und Funktionalität entwickelt hat. In ihrer Master-Thesis stellt sich Lena Bonengel dieser Aufgabe auf ganz persönliche Art. Sie entwirft ein Entwicklungskonzept für ihr eigenes baubotanisches Wohnhaus. In einer fundierten Analysephase untersucht sie zunächst 60 vergleichbare Ansätze, bei denen sich ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen dazu verpflichtet haben, ein Leben lang für die Pflege und Entwicklung eines Projektes verantwortlich zu zeichnen. Darauf aufbauend setzt sie ihr eigenes Leben konsequent in Bezug zu ihrem geplanten baubotanischen Vorhaben. Sie stellt dabei nicht nur Prognosen über die Entwicklung der baubotanischen Strukturen an, sondern entwirft auch Szenarien für ihr eigenes Leben. Mit Hilfe des online-tools „die Todesuhr“ berechnet sie für sich einen fiktiven Todestag (22.02.2096), visualisiert ihr hypothetisches Altern und stellt es in visuellen Bezug zur Entwicklung der baubotanischen Strukturen (Abb. 1).
Diese schon fast erbarmungslose Einbeziehung der eigenen Person ermöglicht ein perspektivisches Denken, dass weit über die eigene Lebenszeit hinausweist. Denn die Geschichte von Lena Bonengels Projekt endet nicht mit ihrem Tod. Sie erzählt sie vielmehr für ihre (fiktiven) Kinder und Enkel weiter und spekuliert, welche transformative Kraft ihre Arbeit in ferner Zukunft entfalten könnte. Dabei geht sie im Detail erstaunlich pragmatisch zu Werke und verliert klassische landschaftsarchitektonische Kernkompetenzen wie z.B. die Wahl geeigneter Baumarten, nicht aus den Augen. Unterschiedliche mögliche Entwicklungsszenarien dekliniert sie akribisch über einen Zeitraum von 200 Jahren (!) durch. Auf diese Art verbindet so eine radikal-visionäre Vorgehensweise mit Grundlagenwissen aus ihrem Studienfach.
Zum Abschluss präsentierte sie ihre Arbeit in einem überzeugenden Vortrag und anhand eines Modells, das mit Hilfe aufwändig gearbeiteter Drahtstrukturen einen möglichen Zustand der Bäume in ca. 200 Jahren sowie anhand von 3D-gedruckten Bauteilen und holographischen Projektionen Optionen für zukünftige architektonische Elemente aufzeigt. Atmosphärische Stimmungen und Bezüge zu möglichen technologischen Entwicklungen sind in den gekonnt ausgearbeiteten Collagen dargestellt.
Begründung der PreiswürdigkeitDie Arbeit überzeugt durch die visionäre Kraft und die konsequente, unerschrockene konzeptionelle wie ästhetische Durcharbeitung. Lena Bonengel ist es gelungen, einen spekulativen Ansatz bestechend klar auf den Punkt zu bringen. Eine Vorgehensweise die wir heute in der Landschaftsarchitektur viel zu selten sehen und die uns zu denken geben sollte, wie wir die Zukunft unseres Planeten genauso wie die Rolle unserer Profession neu denken könnten.
Der bdla-Nachwuchspreis ist mit je 250 € und einer Urkunde dotiert.
Die diesjährigen Auszeichnungen finden mit freundlicher Unterstützung durch die Büros WGF Beraten und psu - Prof. Schaller UmweltConsult statt.
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