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Gedächtnis der Profession: Das europäische Archiv-Netzwerk NELA

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Der 18. September 2019 geht als Meilenstein in die europäische Geschichte der Landschaftsarchitektur ein: In Ås bei Oslo schließen sich im Rahmen der ECLAS Konferenz acht europäische Archive der Landschaftsarchitektur zum internationalen Netzwerk NELA zusammen.

Von Lilli Lička und Ulrike Krippner

Am 18. September 2019 schlossen sich in Ås bei Oslo im Rahmen der ECLAS Konferenz acht europäische Archive der Landschaftsarchitektur zum internationalen Netzwerk NELA zusammen. © NELA

Die gerade 100 Jahre alte akademische Disziplin erhält so den nötigen historischen Sockel für zukünftige Herausforderungen von Forschung, Lehre und Gestaltung. Die Gründerinnen der Archive in Ås/Norwegen, in Rapperswil/Schweiz und in Wien/Österreich sind Initiator*innen der internationalen Vereinigung.

Archive sind das Gedächtnis der Profession. In den Landschaftsarchitektur-Archiven Europas werden Daten, Pläne, Zeichnungen, Fotos, Entwürfe, Modelle und Dokumente fachkundig geordnet, verwahrt und für die Wissenschaft, Praxis sowie für interessierte Laien zugänglich gemacht.

Auf diese Art wird eine Kontinuität sichtbar, welche die Entwicklung der Landschaftsarchitektur verständlich macht, und gleichzeitig die Basis für ihre Weiterentwicklung aufbereitet. Das Fachgebiet der Landschaftsarchitektur hat hier einen großen Nachholbedarf.

Die historische Erzählung der Profession ist besonders dort lückenhaft, wo es um die jüngeren Entwürfe, Werke und Persönlichkeiten geht. Das Netzwerk NELA tritt an, diese Lücken gemeinsam zu schließen. Der inhaltliche und organisatorische Austausch auf europäischer Ebene sichert die Kontinuität von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft, über Landesgrenzen hinweg. Ebenso wie die Landschaft nicht an den politischen Grenzlinien aufhört, verbreiten sich Stile, Arbeitsweisen und Aufgabenstellungen überregional.

Schon Malene Hauxner hat über „Ikonen auf Wanderschaft“ (Hauxner, 2006, 53) geschrieben, die nachweislich Stile in Europa verbreitet haben. Auch gesellschaftliche und naturräumliche Fragen stellen sich nicht nur lokal, und geschäftlich wird längst länderübergreifend agiert: Wettbewerbe werden EU-weit ausgeschrieben, Aufträge international vergeben. Der internationale und überregionale Austausch zwischen den Archiven fördert also die Entwicklung des Fachgebietes auf europäischer Ebene, Informationen werden vernetzt und neues Wissen generiert.

Weitergabe von Wissen, das Wecken von Neugier

Dies wird in bedeutenden Publikationen sichtbar, die sich aus Archivalien generieren lassen, zuletzt etwa die Publikation über die Gärten des deutschen Landschaftsarchitekten, Reformers und Pioniers des sozialen Gartens, Leberecht Migge, die im Schweizer Archiv in Rapperswil aufgefunden und fachkundig aufgearbeitet wurden und die nun in einem leinengebundenen Band, grafisch schön arrangiert, vorliegen (Gadient et al. 2019). 320 Pläne von Leberecht Migge hatten sich im Nachlass des Zürcher Gartenarchitekten Walter Leder verborgen. Ohne sammelkundige und -willige Institutionen gehen derlei Informationen für immer verloren.

Albert Esch (1883-1954) Wochenendgarten für einen Faulenzer aus einer Serie von Modellgärten 1928, LArchiv der BOKU. © Scan, LArchiv

Die jungen Nachlässe der Kolleg*innen, die im 20. Jahrhundert ihren Arbeitsschwerpunkt hatten, lagern oft von den Erb*innen unbeachtet – unter prekären Umständen – in Gartenhäusern oder in Kellern. Von dort werden sie geborgen, professionellen Archiven zugeführt und der Nachwelt für Forschung, Information und Publikation zur Verfügung gestellt.

Das Kulturgut und -erbe in Archive zu bringen, ist eine aufwändige und auch kostspielige Arbeit. Raum, möglichst mit entsprechenden klimatischen Bedingungen in Bezug auf Temperatur, Feuchtigkeit und Lichtverhältnisse, archivtaugliches Material, wie etwa säurefreie Mappen und vor allem Arbeitskräfte sind dafür vonnöten. Das Wissen darüber, wie die Dokumente archiviert werden müssen, wie sie zu ordnen sind und wie diese Ordnung zu verwalten ist, bedarf besonderer Kompetenzen und eines präzisen Fachwissens. Das europäische Netzwerk dient diesem fachlichen Austausch und der gegenseitigen Unterstützung in der Alltagsarbeit eines Archivs.

Gegründet wurde NELA bei einer Tagung der Europäischen Ausbildungsstätten (ECLAS European Council of Landscape Architecture Schools) an der NMBU in Ås, Norwegen. In der universitären Ausbildung verfolgt die Arbeit mit und in Archiven mehrere Ziele: die Weitergabe von Wissen und, wahrscheinlich viel wichtiger, das Wecken von Neugier und die Anregung, sich das Fundament, auf das wir aufbauen, genauer anzusehen. Es ist ein längerer Prozess zu verstehen, dass die Auseinandersetzung mit Geschichte über die Denkmalpflege hinausgeht und in jedem Projekt eine Berechtigung hat. Eine Basis für dieses Verständnis ist die Kenntnis von Quellen, die Bekanntheit historischer Dokumente und ihrer Bedeutung und eine niederschwellige Zugänglichkeit der Archive.

Archive werden auch von Außenstehenden aufgesucht und kontaktiert, was voraussetzt, dass ihre Existenz allgemein bekannt ist. Wenn Architekten bei der Renovierung einer historischen Villa für die pflegliche Sanierung des Gartens Informationen zu dessen Historie einholen, unterstützt das Wissen der Archive die Denkmalpflege auch dort, wo die staatliche Vorsorge versagt. Wenn Forschende anderer Fachgebiete zu Persönlichkeiten der Landschaftsarchitektur nachfragen oder wenn nach namensgebenden weiblichen Vorbildern für Straßen oder Plätze gesucht wird, wie es in Wien der Fall war, tragen die Archive zur allgemeinen Sichtbarkeit des Fachgebietes bei.

Ziele des Netzwerks

Das junge Netzwerk NELA besteht seit seiner Gründungsverlautbarung aus acht Mitgliedern, zusätzlich zu den Gründungsländern aus Belgien, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und Ungarn. Gründungsarchive sind das in der Schweiz ansässige ASLA Schweizerische Landschaftsarchitektur (SLA), angegliedert an die Hochschule Rapperswil und bestehend seit 1982. Des Weiteren das 2014 in Norwegen offiziell eröffnete ANLA und das österreichische LArchiv, auch hier nach langer Vorarbeit 2018 als Archiv der Universität für Bodenkultur Wien eingerichtet.

Es sind universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen vertreten und die Sammlungszeiträume spannen einen größeren Bogen. Bei den Gründer*innen steht das 20. Jahrhundert inklusive dem späten 19. und frühen 21. Jahrhundert im Vordergrund, bei anderen reichen die Dokumente einige Jahrhunderte zurück.

Zeichnungen, Bilder, Postkarten, Skizzen und Geschäftskorrespondenz, Fotos, Lehrmaterial sowie Druckwerke zählen zu den archivierten Gegenständen in allen Archiven. Im ASLA sind zusätzlich Modelle wie auch Tondokumente und eine große Zahl an Büchern erhalten. Im ANLA in Norwegen und im LArchiv in Wien sind digitale Informationen in Datenbanken gespeichert. Am selben Institut für Landschaftsarchitektur, ILA, der BOKU in Wien wird außerdem seit 2005 – gemeinsam mit der ÖGLA (Österreichische Gesellschaft für Landschaftsarchitektur) die digitale und kuratierte Datenbank zeitgenössischer österreichischer Landschaftsarchitektur, nextland, betreut (Lička und Grimm 2015). Das belegt das Bestreben besonders gut, das Verständnis für ein zeitliches Kontinuum der gesamten Entwicklung zu fördern.

Die Vergangenheit ist wichtig für die Zukunft

Die Erleichterung der archivalischen Tätigkeiten durch Informationsaustausch ist ein wichtiges Anliegen des Netzwerkes, setzt es doch – so die Hoffnung – Kapazitäten für gemeinsame Akquisition für Publikationen und Forschungsprojekte auf europäischer Ebene frei. Publikationen und Ausstellungen sollen entstehen, wodurch sich die Sichtbarkeit in der Gesellschaft verbessert und Landschaftsarchitektur der Allgemeinheit tiefgründiger vermitteln lässt.

Des Weiteren soll ein unterstützender Leitfaden erstellt werden, der ein Bekenntnis zur Qualitätssicherung darstellt. Das nächste europäische Treffen wird im Berufsumfeld möglichst breit angekündigt werden, so dass auch andere, seien es Lehrende, Forschende oder Praktizierende sich ein Bild der Landschaftsarchitektur-Archive Europas machen können.

Wichtiges Anliegen ist der sorgsame Umgang mit bestehenden Werken, die ja – mit oder ohne Denkmalschutz – einen sehr großen Teil der praktischen Arbeit von Landschaftsarchitekt*innen betreffen. Jenny Osuldsen, Landschaftsarchitektin und Frontfrau des arrivierten Büros Snøhetta, betont die Bedeutung der Archivarbeit für die allgemeine Berufspraxis: „Für uns Praktiker*innen ist die Vergangenheit ebenso wichtig wie die Zukunft, damit wir uns weiter entwickeln können und nicht wieder von vorne anfangen müssen, es hat schon so viele gute Arbeiten gegeben, die Vorbilder für uns sein können!“ (Osuldsen mdl.2019).

Literatur:

Hauxner, Malene (2006): Entweder/oder, weniger und mehr – wie Formen und Ideen wandern. In: LAE (Hg.): Fieldwork, Basel: Birkhäuser, 44-53.

Gadient ,Hansjörg; Schwerin, Sophie von und Orga, Simon (2019): Migge. The original Landscape Designs. Die originalen Gartenpläne. 1910-1920. Birkhäuser: Basel

Lička, Lilli und Grimm, Karl (2015): nextland, ­Sammlung zeitgenössischer Landschaftsarchitektur in Österreich, Basel: Birkhäuser.


Autorinnen: Dipl.-Ing. Dr. nat. techn. Ulrike Krippner und Univ. Prof. Dipl-.Ing. Lilli Lička, Institut für Landschaftsarchitektur ILA, Department für Raum, Landschaft& Infrastruktur, Universität für Bodenkultur Wien. Der Text erschien in der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekten" 2/2020, die Langfassung in der Zeitschrift „Stadt+Grün“, Ausgabe 2/2020.


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