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Niederschlagswasserversickerung – Faustzahlen, Bauweisen und ein Rechenweg

Von Tom Kirsten

In Forschung und Normung wird derzeit von Büros, auch von Mitgliedern des bdla, Gremien, Hochschulen und anderen Stellen an neuen Bauweisen der wassersensiblen Planung gearbeitet.

Fünf Menschen begutachten die Sickermulden.
Mit Stauden bepflanzte Sickermulden beim LfULG in Dresden-Pillnitz. Foto: Claudia Jacquemin

Ideen werden geprüft, manche verworfen, andere weiterverfolgt. Neuartige Verfahren werden durchgeplant, abgestimmt und erprobt. Manche dieser neuartigen Verfahren sollen genormt werden. Forschungsergebnisse werden jedoch in der Regel erst nach Abschluss und Auswertung der jeweiligen Versuche veröffentlicht. Details aus der Normungsarbeit bleiben von vornherein aus guten Gründen unter den Beteiligten.

Bis zur Vorlage eines überarbeiteten Regelwerks kann es deshalb leider jahrelang, manchmal sogar jahrzehntelang dauern. Im Angesicht des Klimawandels, der aktuellen Diskussionen und nicht zuletzt des Engagements unserer nachwachsenden Generation erscheinen diese Zeiträume sehr lang, wenn nicht zu lang zu sein.

Sie wollen die Bearbeitungszeit von Regelwerken verkürzen? Machen Sie mit in der Gremienarbeit!

Neue Regelwerke werden in der Regel von allen Beteiligten nicht gerade herbeigesehnt. Wenn wassersensible Freiraumplanung zum Standard werden soll, werden aber belastbare Forschungsergebnisse, Rechtssicherheit und bewährte Bauweisen, kurz allgemein anerkannte Regeln der Technik, gebraucht.

Um die Wartezeit darauf zu verkürzen, werden in diesem Artikel Regeln und Faustzahlen aus der Praxis der Entwässerungsplanung vorgestellt. Sie sind noch nicht allgemein bekannt und haben keinen oder noch keinen normativen Status erlangt. Sie können aber dennoch als Praxistipps eine Hilfestellung bei der Planung geben.

Versickerung von Niederschlagswasser

Die einfachste Methode zur Versickerung von Niederschlagswasser ist die Flächenversickerung; sie kommt der natürlichen Versickerung am nächsten. Niederschlagswasser läuft von befestigten Flächen ohne Einläufe und Rohre in den Seitenraum, in der Regel eine Rasen-oder Pflanzfläche, ab. Das Wasser wird nicht zwischengespeichert und versickert dort direkt. Auch Flächenversickerungen können bemessen werden; die Formeln finden sich im Arbeitsblatt DWA-A 138-1 »Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser, Teil 1: Planung, Bau, Betrieb«, welches bereits seit Dezember 2020 im Entwurf vorliegt.

Dabei zählt die überregnete Versickerungsfläche mit zum Einzugsgebiet. Bei mäßig durchlässigen Böden werden 30 Prozent bis 50 Prozent der angeschlossenen Fläche zur Flächenversickerung gebraucht.
Die Wasserdurchlässigkeit von Rasenflächen hängt vom Boden ab. Je besser sich die Gräser etabliert haben und je intensiver der Boden durchwurzelt und belebt ist, umso wasserdurchlässiger ist der Rasen samt der Vegetationstragschicht. Im langjährigen Betrieb von Rasenmulden stellt sich eine Wasserdurchlässigkeit von etwa 1*10-5 m/s ein. In einer solchen Rasenmulde versickern etwa 36 mm Niederschlag pro Stunde.

Nach dem Entwurf des Arbeitsblatts DWA-A 138-1 sollen in Zukunft auch dauerhaft durchlässige Flächenbeläge, wie zum Beispiel haufwerksporige Betonpflaster mit entsprechender bauaufsichtlicher Zulassung, zur Flächenversickerung einsetzbar sein. Wasser kann dann von angrenzenden Flächen, auch Dächern, auf diese Pflasterflächen geleitet werden, um dort zu versickern.

Voraussetzung dafür ist freilich, dass Bettung, Tragschicht und Planum ebenfalls ausreichend wasserdurchlässig sind. Die Pflasterflächen dürfen außerdem nicht zu starker Belastung ausgesetzt sein. Laut der neuen ZTV Wegebau soll für versickerungsfähige Verkehrsflächen Bettungsmaterial ohne Nullanteil verwendet werden. Es kommen beispielsweise Lieferkörnung 1/5, 2/5 oder 2/8 mm in Frage. Diese Bettungsmaterialien werden auch für Flächen der Nutzungskategorien N2 und N3 eingesetzt.

In Versickerungsmulden werden Oberflächenabflüsse kurzzeitig gespeichert, bevor sie zur Versickerung gelangen. Sie sollen, wie die Flächenversickerung, möglichst breitflächig beschickt werden, um Ausspülungen und ungleichmäßige Verteilung zu vermeiden. Die Mulde kann bei oberirdischer Zuleitung flacher ausgeführt werden. Werden Versickerungsmulden über Rinnen beschickt, sind offene Rinnen vorzuziehen. Ablagerungen sind in offenen Rinnen besser zu sehen, offene Rinnen sind leichter zu reinigen.

Drei Baumreihen mit jungen Bäumen auf einem Versuchsfeld.
Versuchsanlage mit Baumrigolen beim LfULG in Dresden-Pillnitz. Foto: Claudia Jacquemin

Gängige Praxis: bepflanzte Rasenmulden

In der Regel werden Versickerungsmulden als Rasenmulden ausgeführt. In Zukunft werden solche Mulden auch bepflanzt, vielerorts ist die Bepflanzung bereits heute gängige Praxis. Versickerungsmulden müssen ebenfalls nach Arbeitsblatt DWA-A 138-1 bemessen werden. Die Einstauhöhe in den Mulden wird aus betrieblichen Gründen auf 30 cm begrenzt. Die erforderliche Fläche der Mulde hängt außerdem insbesondere vom Einzugsgebiet und seiner Befestigung, von den örtlichen Regendaten und der Durchlässigkeit des Bodens ab. Beim Vorentwurf wird mit Faustzahlen gearbeitet. Bei mäßiger Durchlässigkeit des Bodens werden 10 Prozent bis 20 Prozent des versiegelten Einzugsgebiets als Grundfläche der Muldenversickerung gebraucht. Eine andere Faustzahl besagt, dass pro Quadratmeter angeschlossener undurchlässiger Fläche 45 l Speichervolumen erforderlich sind.

Versickerungsmulden müssen nach einem Starkregen in absehbarer Zeit wieder leer sein, um für den nächsten Regen zur Verfügung zu stehen. Es wird allgemein angenommen, dass Mulden nicht länger als 24 Stunden gefüllt sein dürfen. Diese Annahme ist jedoch nicht vom Regelwerk gedeckt. Sie stammt aus den Vorgaben zur Bemessung von Regenrückhalteräumen, für deren Betrieb jedoch andere Voraussetzungen und andere Bemessungsregeln gelten.

Die Versickerung von Niederschlagswasser in einschlägigen Anlagen setzt eine Wasserdurchlässigkeit des Bodens von 1*10-4 m/s bis 1*10-6 m/s voraus. Bei diesen Werten versickern 360 mm/h in durchlässigen, bis 3,6 mm/h in weniger durchlässigen Mulden. Wenn in einer Mulde 30 cm Wasser anstauen, muss die Entleerungszeit demnach zwischen 50 Minuten und 83 Stunden, dreieinhalb Tagen, liegen.

Bedeutet dies, dass wir in Zukunft öfter vollgefüllte Versickerungsmulden sehen werden? Nein, dies wird nicht der Fall sein. Die quantitativen Bemessungsregeln haben sich nur wenig geändert. Der Oberboden in einer Mulde kann auch noch Wasser speichern, bevor er es nach unten durchsickert. Diese Wassermenge ist vom Boden abhängig und schwer zu beziffern, sie dürfte bei etwa 10 Prozent des Bodenvolumens liegen. Dieses Reservevolumen trägt dazu bei, dass der Wasserstand in Versickerungsmulden in der Regel geringer ausfällt als bemessen.

Bei der Überarbeitung von Regelwerken mitwirken!

Das kleine Rechenbeispiel lässt sich auch auf andere Versickerungsanlagen und Regenrückhalteräume mit gedrosseltem Ablauf anwenden, wenn die Entleerungszeit berechnet werden soll. Man ermittelt, wieviel Wasser in der Anlage ankommt und subtrahiert davon die Menge an Wasser, die im Laufe der Zeit versickert oder in die Kanalisation abläuft.

Neue, weiterentwickelte Bauweisen und Verfahren der wassersensiblen Planung in Freianlagen werden dringend gebraucht. Aus Sicht der Landschaftsarchitekt:innen müsste die Überarbeitung der einschlägigen Regelwerke deutlich schneller gehen. Sie wollen die Bearbeitungszeit verkürzen? Machen Sie mit! Der bdla bietet eine Reihe von Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme an der Gremienarbeit.


Autor: Tom Kirsten, M.Sc., Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, ö. b. v. Sachverständiger für Garten- und Landschaftsbau, Sportplatzbau – Herstellung und Unterhaltung, bdla-Fachsprecher Bautechnik + Normenwesen, Pirna. Der Text erschien in der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekten" 1/2023.


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