Im Frühjahr 2019 ist mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur angeblichen EU-Widrigkeit der HOAI zu rechnen. Das Urteil kann weitreichende Folgen haben.
Zwei Verfahren mit unterschiedlichen Wirkungen
Es schweben derzeit zwei unterschiedliche Verfahren beim Europäischen Gerichtshof zur HOAI: Das erste ist eine Klage der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland; das zweite Verfahren betrifft direkt einen Streit zwischen einem Bauherrn und einem Architekten. Gerade dieses zweite Verfahren kann erhebliche Auswirkungen haben. Gemeinsame Schnittmenge beider Verfahren ist die These, dass das in der HOAI vorgeschriebene gesetzliche Mindesthonorar gegen EU-Recht verstoße, weil der Staat keine Preise vorschreiben dürfe. In dem ersten Verfahren (EU gegen Bundesrepublik) geht es allerdings nur darum, dass die Bundesrepublik diesen angeblichen Verstoß für die Zukunft korrigieren soll, durch Änderung der HOAI; für laufende Projekte und für die Vergangenheit spielt dieses Verfahren also keine Rolle.
In dem zweiten Verfahren hingegen hat sich das Landgericht Dresden auf den Standpunkt gestellt, die HOAI verstoße gegen EU-Recht, und deshalb könne der Architekt von vorn-herein kein Honorar nach HOAI-Mindestsatz berechnen, sondern immer nur das, was im Vertrag vereinbart sei – also ggf. deutlich weniger. Hierzu verlangt das Landgericht Dresden eine sog. Vorabentscheidung vom EuGH. In diesem Verfahren geht es also um ein laufendes Projekt, und ein Urteil in diesem Verfahren könnte Auswirkungen auf sämtliche noch nicht beendete Planungsverträge haben.
Kippt die HOAI?
Die Chancen für die HOAI stehen nicht besonders gut. Nach den Regeln des EU-Rechts soll sich der Staat im Prinzip nicht in den Preiswettbewerb einmischen. Wenn er es im Einzelfall doch tut, dann braucht er dafür eine Rechtfertigung. Beweisen muss diesen Rechtfertigungsgrund der Staat, der die Preise regeln will. Es ist also nicht so, dass die EU nachweisen müsste, dass der HOAI-Mindestsatz rechtswidrig ist, sondern umgekehrt muss die Bundesrepublik nachweisen, dass es für das Mindestsatzgebot ein Erfordernis gibt. Gelingt dies nicht, ist die HOAI rechtswidrig.
Was passiert, wenn die HOAI kippt?
Wenn die Bundesrepublik das Vertragsverletzungsverfahren verliert, wird der EuGH in seinem Urteil eine Vorgabe formulieren, dass Deutschland die HOAI innerhalb einer bestimmten Frist anpassen muss. Dieses Urteil allein hätte also zunächst einmal keine direkten Auswirkungen auf das geltende Recht.
Anders wäre das aber, sobald im zweiten Verfahren (Vorabentscheidungsverfahren) ein Urteil vorliegt. Wenn in diesem Urteil die HOAI als EU-widrig eingestuft wird, würde das bedeuten, dass § 7 HOAI (der das Mindestsatzgebot enthält) nichtig, also unwirksam ist. Wenn eine Vorschrift aber nichtig ist, dann war das rechtlich gesprochen schon immer so - die Vorschrift hat dann quasi nie existiert (!). Das würde bedeuten, dass sämtliche Honorarabrechnungen, die sich auf den Mindestsatz gestützt haben, keine rechtliche Grundlage hatten.
Vertrauensschutz für laufende Projekte?
Es liegt auf der Hand, dass man dazu irgendeine zeitliche Grenze einziehen muss und nicht alle Projekte der letzten 40 Jahre in Frage stellen kann. Deshalb ist damit zu rechnen, dass der EuGH, falls er die HOAI im Vorabentscheidungsverfahren kippt, hierzu Regeln festlegt. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird die Entscheidung keine Auswirkung haben auf komplett abgeschlossene Sachverhalte; also auf Fälle, in denen schon Schlussrechnung gelegt und bezahlt wurde. Umgekehrt ist klar, dass die Entscheidung auf jeden Fall gelten wird für alle Projekte, die nach dem Urteil erst beginnen. Für die übrigen, derzeit laufenden Projekte, wird es vermutlich auf einen weitgehenden Vertrauensschutz von AG und AN hinauslaufen - aber wo die Grenze genau gezogen wird, falls die HOAI kippt, das ist die große Frage.
Fazit
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird im Sommer 2019 erhebliche Bewegung in die Praxis der HOAI kommen. Wenn die Bundesrepublik den Fall verliert, wird sie entscheiden müssen, wie sie die HOAI für die Zukunft anpasst. In diesem Fall wird die HOAI sicherlich nicht komplett verschwinden; aber ihr Kern, nämlich der zwingende Mindestsatz, wird dann wohl keinen Bestand mehr haben. Das wird erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung künftiger Planerverträge haben. Und falls die HOAI kippt, wird in vielen laufenden Projekten zu klären sein, welche Auswirkungen dies auf die Honorarvereinbarungen und -abrechnungen hat.
Autor/Quelle: GGSC-Newsletter Februar 2019 (Rechtsanwalt Dr. Benjamin Tschida, Rechtsanwalt Dr. Sebastian Schattenfroh)
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