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Wagen wir heute noch visionäre Entwürfe?

Von Stephan Lenzen

Bei einer Anhörung der Verbände im Innenministerium zum Thema Neuausrichtung der Städtebauförderung wurde mir aufgrund meiner Forderung nach stärkerer Integration von Klimaanpassungsmaßnahmen in die Programme erwidert, dass die Klimaanpassung der Städte ja kein grundsätzlich grünes Thema sei, also kein originäres Landschaftsarchitekturthema. Ja, es ist klar, dass es bei der gegebenen Komplexität um Integrative Planungsansätze geht. Aber, wie kann es der Profession gelingen, sich über das Thema Klimawandel stärker in der Öffentlichkeit zu positionieren?

In ihrem Buch "2°C" bringen es Chris Rapley und Duncan Macmillan auf den Punkt: "Der eigentliche Punkt beim Klimawandel und seinen Auswirkungen auf die Lebensumwelt des Menschen ist der, dass der Klimawandel zwar von der Wissenschaft aufgedeckt wurde, doch es geht dabei nicht um wissenschaftliche Fragen, sondern letztendlich nur um die eine Frage: In was für einer Welt wir leben wollen?"

Das bedeutet für die Landschaftsarchitektur, dass sie klar artikulieren muss, welche Art Zukunft wir insbesondere für die Städte gestalten wollen. Wir sollten endlich grüne Gesamtkonzepte für unsere Städte entwickeln und publizieren und den Begriff Green City nicht den technischen Antworten auf die Klimaanpassung überlassen.

Wir sollten als  Generalist den Mut haben, den "Planungshut" aufzusetzen.

Stephan Lenzen

Ich glaube zwar weiterhin, dass es eines Teams von Planern bedarf, diese dringenden Fragen anzugehen. Wir sollten aber als adäquater Generalist den Mut haben, den "Planungshut" aufzusetzen. Fast alle Komponenten der Resilienz der Städte sind im Einzelnen unsere Fachbereiche, aber wir führen sie nur allzu selten und meistens im Stillen zusammen.

Wir planen die Grüne Infrastruktur. Es sind unsere Freiflächen, die Frischluftschneisen und Kaltluftentstehungszonen sind. Es sind unsere Freianlagen, in denen Gesundheitssport und Bewegung stattfindet. Wir planen die Versickerungsflächen und stellen den Überflutungsnachweis aus. Wir planen Dach- und Fassadenbegrünungen, die neuen Trassen der Mobilität, die Radschnellwege. Wir führen Partizipationsprozesse durch und zu guter Letzt, auch wenn wir sie fast schon vernachlässigen, haben wir die Pflanzenkenntnisse.

Doch wagen wir heute noch diese großen visionären Entwürfe? Ich habe das Gefühl, dass ausgerechnet dem reichen Deutschland die positiven Utopien abhandengekommen sind.

Ulrich Schnabel schreibt in seinem neuen Buch "Zuversicht. Die Kraft der inneren Freiheit und warum sie heute wichtiger denn je ist": "Stattdessen dominieren rückwärtsgewandte ›Retrotopien‹, wie sie der Sozialphilosoph Zygmunt Bauman genannt hat – ›Visionen, die sich anders als ihre Vorläufer nicht mehr aus einer noch ausstehenden und deshalb inexistenten Zukunft speisen, sondern aus der verlorenen/geraubten/verwaisten, jedenfalls untoten Vergangenheit‹ – eben Retro- statt Utopien."

Was uns hinsichtlich der Zukunft vielleicht am meisten fehlt, ist die Antriebsenergie der Zuversicht und damit der grundlegende Treibstoff des Lebens. Zuversicht heißt also nicht, illusionäre Hoffnungen zu hegen, sondern einen klaren Blick für den Ernst der Lage zu behalten. Zugleich heißt Zuversicht aber auch, sich nicht lähmen zu lassen, sondern die Freiräume zu nutzen, die sich auftun – und seien sie noch so klein.

Wir sollten den Modellen der Morgenstadt, die immer Bilder von einer grünen Zukunft der Städte malen – aber auf einer rein technischen und digitalen Welt basieren – ein eigenes Modell der Lebensumwelt der Zukunft beifügen. Es ist das Schöne und Wundervolle an unserer Profession, dass sie überaus sinnstiftend ist.


Autor: Stephan Lenzen, Landschaftsarchitekt bdla, RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn, bdla-Vizepräsident. Der Text erschien in der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekten" 4/2019.

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