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Die blaue Zukunftsaufgabe

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Integrative Ansätze zur Klimaanpassung in der Region Braunschweig

Von Franziska Günther und Hubertus von Dressler

Hydrologische Extremsituationen haben in den vergangenen Jahren deutlich an Dynamik gewonnen. Besonders spürbar wurde dies in der Region Großraum Braunschweig.

Ackerflächen im Sommer, im Hintegrund ein Traktor mit einer langen Staubwolke hinter sich.
Zunehmende Trockenheit in der Landwirtschaft. Foto: Hubertus von Dressler

So war das Jahr 2017 von einem flächendeckenden Flusshochwasser an Oker und Innerste im Landkreis Wolfenbüttel geprägt (Wasserverband Peine (WV Peine) 2018). Die darauffolgenden Jahre 2018, 2019, 2020 und 2022 waren hingegen durch eine außergewöhnliche Trockenheit gekennzeichnet und verstärkten u. a. die großflächigen Waldschäden im Harz.

Auch in den Harzer Talsperren führten die Trockenjahre zu fortdauernden Wasserniedrigständen und einer zunehmend angespannten Situation in der Trinkwasserversorgung (Harzwasserwerke GmbH 10.09.20209). Gleichermaßen schwer traf es die Ackerbauern der Region. Die fast vollständig und über alle Kulturen von der Feldberegnung abhängige Landwirtschaft in der Südheide im Norden der Region benötigte bereits im ersten Dürrejahr 2018 rund 1,5 mal mehr Wasser als genehmigt war (Kehlert 2019). Im Jahr 2022 führte der Wassermangel u. a. zum Trockenfallen eines Aller-Abschnitts mit katastrophalen Folgen für die aquatischen Lebewesen (Westdeutsche Allgemeine Zeitung 05.08.2022).

Die Trockenheit wird wiederkommen und erfordert bei uns allen ein Umdenken. Die Dürre zeigt uns, dass eine sinnvolle und maßvolle Wassernutzung gesamtgesellschaftlich diskutiert werden muss. Alle am Wasserkreislauf Beteiligten müssen gemeinsam an Zukunftslösungen arbeiten und eine Balance finden, um die Konkurrenzsituation um die Ressource Wasser zu entspannen. Wir wollen keinen Kampf ums Wasser, aber die Diskussion, wer in Zukunft wieviel Wasser bekommt, ist unvermeidbar.

Christoph Donner, 10.09.2020

Die Auswirkungen des Klimawandels betreffen die verschiedenen Landnutzungsbereiche gleichermaßen, entsprechend werden integrierte Ansätze benötigt, um das Verhältnis von Landnutzung und Landschaftswasserhaushalt neu auszurichten. Ein bundesweit wegweisendes Beispiel bildet die Integrierte Flussgebietspartnerschaft Nördliches Harzvorland in der Region Großraum Braunschweig.

Es gibt nur EINE Gewässerlandschaft

Dieser einfachen Prämisse folgt das Integrierte Flussgebietsmanagement Nördliches Harzvorland und setzt damit als erste interkommunale und intersektorale Kooperation Niedersachsens auf einen ganzheitlichen Gewässer- und Hochwasserschutz. Die als Vorhaben aus der ILE-Region Nördliches Harzvorland hervorgegangene Kooperation hat erkannt, dass eine isolierte und lokal begrenzte Betrachtung des Hochwasserschutzes nicht zielführend ist. Vielmehr werden die bisher eher getrennt betrachteten Themenbereiche des Wasserhaushaltes (wie z. B. Hochwasserschutz, Wassernutzung und Gewässerentwicklung) miteinander verzahnt, um nachhaltige, effiziente und flächensparsame Lösungen zu finden.

"Unsere Stärke ist unsere Kommunikation"

Mit einer guten Kommunikationsstrategie und dem Aufbau eines stabilen Netzwerkes, wie es Andreas Memmert in dem obigen Zitat beschreibt, ist es gelungen, frühzeitig und zielgerichtet Vorurteile abzubauen, gemeinsame Interessen zwischen den verschiedenen Landnutzenden auszuloten und schließlich gemeinsam Projekte umzusetzen.

Während sich die Kooperationsgemeinschaft in ihren Anfängen 2009/10 vorrangig auf den Hochwasserschutz fokussierte, erweiterten sich die Themenbereiche bald um die Gewässer-, Auen- und Biotopentwicklung. Fortgesetzt wurde die Zusammenarbeit sodann als Integriertes Gewässer- und Auenmanagement und mündete zuletzt in dem derzeitigen Integrierten Flussgebietsmanagement. Dieses befasst sich mit dem gesamten Wasserhaushalt und erprobt, z. B. durch natürliche Wasserrückhaltemaßnahmen die naturgemäßen Wasserspeicher wiederherzustellen und Grundwasserstände zu stabilisieren.

Die anteilige Wiedervernässung eines ehemaligen Niedermoors bildet dabei eine der aktuellen Maßnahmen. Entscheidend für den Erfolg der Initiative ist das schrittweise Vorgehen, da durch die kontinuierliche Umsetzung und Sensibilisierung ein hohes Vertrauen bei den Beteiligten aufgebaut werden konnte. Das Flussgebietsmanagement versteht sich daher auch als Teil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.

Eine abwechslungsreiche Flussaue mit Bäumen, Sträuchern und Feldern.
Blick in die Oker-Aue. Foto: Hubertus von Dressler

Das Handwerkszeug der Flussgebietspartnerschaft

Das Kernstück der Flussgebietspartnerschaft bildet das integrierte Hochwasserschutzkonzept, in welchem die operativen Ziele sowie ein Katalog von rund 150 priorisierten Anpassungs- und Vorsorgemaßnahmen beschrieben werden. Die Umsetzung der Projekte wie auch die Fortschreibung des Konzeptes erfolgen auf der operativen Ebene, welche zwei Arbeitskreise (je einer für die beiden Bearbeitungsgebiete Oker und Innerste) sowie die Projekttragenden ausfüllen. Eine regelmäßige Analyse und Überprüfung der Zielerreichung wird durch die strategische Ebene in Form eines Steuerkreises gewährleistet. Neben der Akquise von Finanzmitteln stellt die Flächenverfügbarkeit einen entscheidenden Faktor für die erfolgreiche Projektumsetzung dar. Daher wird parallel auch an einem Flächenmanagement-Tool gearbeitet.

Ein Landkreis macht jetzt blau

Ausgehend von den Erfolgen der Flussgebietspartnerschaft wurden seit 2016 weitere Hochwasserpartnerschaften initiiert. Auch der Landkreis Wolfenbüttel in der Großraumregion Braunschweig wurde dadurch angeregt und treibt seit 2022 die »Blueing-Strategie« an. Sie bezieht sich auf das gesamte Einzugsgebiet der Gewässer – die durch Landwirtschaft stark geprägte Bördenregion. Hier sind die natürlichen Prozesse der Wasserkreisläufe grundlegend verändert. »Blueing« setzt hier an. Neue Vegetationssysteme, die Kühlung, Wasserrückhalt und die kleinräumige Wasserkreislaufschließung durch Verdunstung, Kondensation, Versickerung und Aufnahme durch die Pflanzen fördern, spielen neben anderen »Blueing«-Bausteinen die zentrale Rolle bei der Gestaltung der Landschaft.

Ein erstes Projekt wurde bereits in Form eines Agroforstes in Lucklum auf den Weg gebracht. Weitere Projekte, die der Landkreis in enger Kooperation mit den verschiedenen Landnutzenden vorbereitet, sollen folgen. Entwickelt wurden das »Blueing«-Konzept und der damit verbundene Slogan »Einfach-Blau-Machen« im Rahmen der noch laufenden Dissertation von Ina Küddelsmann und basieren u.a. auf dem Ökosystemprozessverständnis von Professor Dr. Wilhelm Ripl. »Blueing« ist damit synchron Klima-, Biodiversitäts-, Boden-, Hochwasser- und Gewässerschutz.

Integrierter Landschaftsansatz als Zukunftsstrategie

Die hydrologischen Auswirkungen durch klimatische Veränderungen fördern neue Ansätze im Umgang mit der Landschaft und brechen lange bestehende Fronten auf. Einseitige Optimierungen zugunsten einer dominierenden Landnutzung werden angesichts der bestehenden Herausforderungen durch die multifunktionale Gestaltung unserer Landschaften überwunden. Gemeinsame Ziel- und Bewertungsrahmen und co-kreatives Mitwirken bilden die zentralen Elemente eines integrierten Landschaftsansatzes für eine nachhaltige Raumentwicklung. Die vorgestellten Initiativen fungieren dabei als Pioniere, die uns Mut machen, wie die anstehenden Veränderungsprozesse bewältigt werden können.

Quellen:

  • Küddelsmann, Ina (2022): »Blueing«: Erfolgreicher in Richtung
  • Nachhaltigkeit. Von »roten« zu »blauen« Landnutzungen, Wertschöpfungsnetzen und Lebensstilen. Ein wasserorientiertes, verbindendes Konzept mit Vorteilen und Potenzialen für Planung, Steuerung und Selbstorganisation in Richtung Klima-, Natur- und Gesellschaftsstabilisierung (Arbeitstitel). Laufende Dissertation.
  • Memmert, Andreas (08.12.2022): »Unsere Stärke ist unsere Kommunikation«. Online verfügbar unter: https://www.wolfen-buettel.de/Sonstiges/Startseite/ILE-Lenkungsgruppe-trifft-sich-die-F%C3%B6rderperiode-l%C3%A4uft-aus.php? object=tx,3413.5&ModID=7&FID=3413.6910.1
  • Donner, Christoph (10.09.2020): Harzwasserwerke bereiten sich erneut auf Doppeltrockenjahr vor. Online verfügbar unter: https://www.harzwasserwerke.de/presse/pressemitteilun-gen/2020/harzwasserwerke-bereiten-sich-erneut-auf-doppeltrockenjahr-vor/

Autor:innen: Franziska Günther, Wiss. Mitarbeiterin im E+E-Vorhaben »Regionale Grüne Infrastruktur in Stadtregionen« gefördert durch das BfN mit Mitteln des BMUV und Prof. Hubertus von Dressler, Landschaftsplanung, Landschaftspflege, Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, Hochschule Osnabrück.  Der Text erschien in der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekten" 1/2023.


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